Gefühlsgedudel  

 

...Eigentlich hat man gar keine Chance. Man hangelt sich von Tag zu Tag in dieser utopischen Hoffnung, dass es irgendwann einmal besser wird, weil einem andere einreden, dass es irgendwann gut sein wird. Und so steht man wieder auf, trotz Alpträume, trotz Schmerzen, trotz Erinnerungen, trotz Lebensmüdigkeit und kämpft weiter. Jeden Tag. Um am Ende festzustellen, dass sie alle gelogen haben, dass es nie besser geworden ist. Und sie alle, die einem diese Worte gesagt haben, verlassen einen sobald es schwer wird. Man ist allein. Niemand hält es mit einem aus. Man überfordert andere Menschen. Man kann mit niemandem reden, nur „geschulte“ Leute. Man will einfach nur normal sein. Man wird nie normal sein. Es wird nie gut werden. Man hat sich ganz umsonst so sehr gequält. Man hat nie eine Chance gehabt...


"Du hast kein Geld? Dann geh nebenbei arbeiten!" Es ist so unfair. Es ist alles so schrecklich unfair. Wie soll man denn erklären, dass eine erwachsene Frau sich nicht zutraut woanders zu arbeiten? Wie soll ich erklären, dass ich Angst habe? Eine Bekannte hätte einen Aushilfsjob für mich, in einem Esprit-Store. Klar, ich brauche das Geld dringend, denn es entschädigt mich Niemand dafür, dass ich 1 Jahr lang nur mit Krankengeld auskommen und mein Konto total überziehen musste, weil die Vergangenheit zu stark war. Aber so viele fremde Menschen? Enge. Das würde ich nicht aushalten. Auf andere zugehen? Unmöglich. Immer nur lächeln als Verkäufer, obwohl mir nur zum Weinen zu Mute ist. Und was ist im Sommer, wenn ich mich verletzt habe? Mit langen Armen im Laden stehen? Ich schaffe das nicht! Und ich möchte nicht, dass es dann auf die Bekannte zurück fällt. Aber wie soll man das einem normalen Menschen erklären? Wie soll ich erklären, dass ich keine Fortbildung in meinem Beruf mache um etwas mehr zu verdienen, weil ich sie mir nicht zutraue? Ich schaffe das nicht!

Und wie soll ich erklären, warum ich mir immer Sachen kaufen muss, um etwas wert zu sein oder manchmal auch einfach nur, weil ich Geld ausgeben MUSS? Wie soll ich erklären, dass ich lieber im teurem Delikatessensupermarkt einkaufe, wo alles schön geräumig ist, als im Lidl. Kann da Jemand verstehen, dass ich Angst bekomme und einfach wieder gehe? "Du hast kein Geld? Dann geh nebenbei arbeiten!" 



Ich schau in den Spiegel, aber was ich sehe, kommt mir fremd vor. Wer ist die Person, die ich dort sehe? Das bin nicht ich. Ein komisches Gefühl. Wie bin ich denn? Bin ich so, wie es im Spiegel aussieht? Im Spiegel sieht alles normal aus, aber innen drin fühlt sich alles ganz anders an. Das Bild im Spiegel ist bunt und ohne Narben, aber ich? Ich bin schwarz und überall tut es weh. Mein Herz schmerzt. Es will aufgeben, es will endlich Ruhe, es zieht sich zusammen. Wann hört es endlich auf zu schlagen? Ich will nicht mehr! Ich kann nicht mehr!
Ich bin schlecht. Ich bin ein schlechter Mensch. Niemand kümmert sich um mich, niemand interessiert sich wirklich für mich, für die wahre Katrin. Nur wenn sie stark ist und lacht wird sie angenommen. Wenn sie erschöpft ist und weint, ist sie allein. Warum schreibt mir niemand eine SMS und fragt, wie es mir geht? Warum will niemand die Wahrheit wissen? Auf der Arbeit kümmert es niemandem, was ich denke oder fühle. Ich war drei Wochen krank geschrieben und alles, was ich zu hören bekomme ist „na du hast dich doch wohl die letzten Wochen erholt!“oder „hast du schön Urlaub gemacht?“. Niemand will wirklich wissen, was los war. Sie wollen es nicht wissen. Ich muss mich immer verstellen. Niemand liebt die wahre Katrin. Die, die oft leise hinter dem Bildschirm weint oder sich heimlich auf der Toilette verletzt. Niemand antwortet ihr auf ihre Emails, weil sie schlecht ist. Ich bin falsch und darum muss ich die Frau im Spiegel sein.
 


 

Es ist schon paradox. Jeder Mensch ist froh, wenn er zum Arzt geht und dieser nichts feststellen kann, wenn man körperlich gesund ist. Ich kam gestern weinend vom Arzt, weil er nichts finden konnte. Ich war im Internet auf eine Krankheit gestoßen, die jemand beschrieb, der auch msb wurde. Die Dinge, die sie dort beschrieb, waren genau wie bei mir und am Schlimmsten eben diese Müdigkeit und Erschöpfung. Ich schaffe es kaum fünf Tage die Woche zu arbeiten. Und wenn, dann bekomme ich sonst nichts geregelt, gehe nach der Arbeit gleich ins Bett oder aufs Sofa. Zum Sport gehen schaffe ich selten. Heute ist Mittwoch und ich bin schon total fertig, total müde und schlaff und ko. Das geht schon seit Jahren so. Ich erinnre mich, wie meine Mutter früher immer sagte, ich solle mal zum Arzt gehen, weil ich Leukämie hätte oder so, das wäre ja nicht mehr normal. Weil ich nach der Schule immer mit dem Kopf auf dem Esstisch lag. Es schränkt mich so sehr ein und belastet mich stark. Ich hatte so gehofft, dass man endlich etwas findet, dass ich eine normale Krankheit habe, die man mit Tabletten behandeln kann und es endlich weg geht. Blut, Eisen, Urin, Schilddrüse...alles ohne Befund. Das kann doch nicht alles psychisch sein?
Ich will nicht psychisch krank sein!!!! Ich will einfach nur normal sein. Ich hatte es mir so sehr gewünscht.



Ich kann nicht verstehen, wie man sowas machen kann. Ich kann es einfach nicht verstehen! Ich hatte meine Schwester angerufen, weil sie sich auch einen neuen Swift gekauft hat und ich wollte Sachen fragen. Dann meinte sie, dass sie den Wagen am Samtag mal richtig ausfahren wird...Autobahn. Und ich dumme Kuh frag auch noch, wo sie hin will. "Papa und ich fahren zu F." (Mama auch, ich weiß es nicht) Hä? Wie jetzt, die fahren zu IHM? Er hat mir das angetan, er hat mein Leben zerstört und die fahren ihn besuchen? Wenn ich mir vorstelle, wie sie zusammen spazieren und ein Eis essen gehen, bricht mir das Herz. Ich versteh das nicht. Ich hatte mir wirklich sehr viel Mühe gegeben, zu vergessen was sie zu mir gesagt oder wie sie sich verhalten haben, ich meine, ich brauche doch eine Familie. Und jetzt? Jetzt fahren die ihn besuchen? Was bedeutet das? Dass es nicht so schlimm war was er gemacht hat? Dass es ok war? Was soll ich denn bloß machen? Wie kann man so einer Familie noch hinterher laufen? Ich gebe immer mir die Schuld für die Situation. Hätte ich bloß nichts gesagt! Sie sind doch auch überfordert damit. Ich kann nicht mehr.

...Ein wenig hatte ich mich schon gezwungen zu vergessen, was sie da gemacht hatten, viel zu verwirrt war ich. Doch dann traf ich jetzt, eine Woche später, meine Mutter zufällig in der Stadt. Wie es sich für ein braves Kind gehört, setzte ich mich kurz zu ihrem Kaffeeklatsch an den Tisch. Dann zückte sie ein Foto. Ein Bild, auf dem mein Vater, meine Schwester, mein Bruder und sein Freund zu sehen waren. Sie hatten es während des Ausflugs gemacht und es sah aus wie eine Postkarte, also um das Foto herum waren noch Sehenswürdigkeiten. Mein Vater hatte es meiner Ma per Post geschickt. Ich weiß noch immer nicht, was mich trauriger macht. Meine Schwester und mein Vater, die tatsächlich so getan haben, als sei nichts gewesen (ich hatte gehofft, dass es nicht so war) oder meine Ma, die ohne Rücksicht einen auf Happy Family macht? Sein Bild zu sehen hat mir wirklich sehr sehr weh getan und ich habe es immer noch vor Augen. Musste das sein???